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Das Facebook-Demokratie-Problem

Facebook (im folgenden bei Gelegenheit einfach FB) ist nichts weiter als eine Plattform, man könnte sagen, ein schwarzes Brett. Gut, ein modernes schwarzes Brett, ein digitales schwarzes Brett, aber unterm Strich ein schwarzes Brett.

Warum? Weil jeder an einem schwarzen Brett eine Notiz hinterlassen kann. Früher nahm man dazu einen Zettel und einen Reißnagel. (Ich mußte jetzt ganz schön lange googeln, um auf diesen Namen zu kommen: Reißnagel! Total vergessen…) Heute tippt man schnell etwas ein und schon kann es die ganze Welt lesen. Die Welt derer, die auf FB unterwegs sind, zumindest.

Heiko Maas paßt es nicht, daß auf diesem schwarzen Brett namens Facebook häßliche Sachen passieren. Und er droht FB mit Bußgeldern in Höhe von bis zu fünfzig Millionen Euros, falls FB diese Dinge nicht spätestens auf Aufforderung hin innerhalb eines Tages entfernt.

Der Guardian hat über die internen Richtlinien, die es mittlerweile bei FB betreffend unliebsame Postings gibt, einen aufschlußreichen Artikel veröffentlicht:

https://www.theguardian.com/news/2017/may/21/revealed-facebook-internal-rulebook-sex-terrorism-violence

Da gibt es doch eine ganze Reihe prinzipieller Probleme, denn das, was mitunter so einfach aussieht, führt doch schon bei etwas näherem Herantreten zu schwerwiegenden Fragen:

1. Wer hat das Recht, solche Regeln zu erstellen?

2. Wer hat das Recht und die Kompetenz, zu beurteilen, ob etwas, was wie eine Beleidigung aussieht, wie eine Beleidigung zu handhaben ist?

3. Wer hat das Recht, zu beurteilen, wie weit man in der Wahl seiner Argumente und der Wahl seiner rhetorischen und sonstigen Werkzeuge im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung gehen darf?

Kurz, es tut sich doch zuallererst einmal die Frage auf: Kann, darf und soll unser öffentliches Leben auf einmal überall von einem Moderator oder einem Moderatorenteam überwacht werden?

Niemand würde doch wohl auf die Idee kommen, Wächter auf die Marktplätze zu stellen, die einschreiten, sobald ein Mensch einen anderen Doofkopp nennt, ein weiterer einen Wahlkämpfer der Linken Totengräber der Demokratie oder noch ein anderer Lügenpresse schreit.

Auf FB muß aber all das jetzt wohl ge- und bewertet werden, damit man in den Fällen, in denen nach Herrn Maas’ Maßgabe eine rote Linie überschritten ist, eingeschritten werden kann.

Die grundlegende Frage ist also: Was unterscheidet FB von einem Marktplatz?

Ich denke, ein wichtiger, vielleicht sogar der wichtigste, Unterschied ist: Wenn sich auf dem Marktplatz jemand auf den Obstverkäufer stürzt und schreit: “Ich schneide dir die Eier ab, du Judensau!”, und dabei womöglich noch ein Messer in der Hand hat, dann kann man diesen Menschen stoppen, die Polizei rufen und darauf hoffen, daß die Justiz korrekt ihrer Arbeit nachgeht. Entscheidend hierbei: Im Regelfall, und wir reden ja hier speziell vom Marktplatz, um das Grundsätzliche herausarbeiten zu können, läßt sich also die Anonymität, die ja jeder in erster Linie für sich gerne in Anspruch nimmt, wenn er aus dem Haus geht, beseitigen, wenn jemand durch sein Verhalten dazu Anlaß gibt. Was wohl hier im Beispiel ganz sicher der Fall ist.

Wenn aber jetzt etwas Vergleichbares auf FB passiert, läßt sich der Täter nicht hinter der Fassade der Anonymität hervorzerren, denn erstens kann es sein, daß er niemals korrekte Daten über seine wahre Identität bei FB preisgegeben hat, also nicht einmal nicht-öffentlich bei der Einrichtung seines Profils, und zweitens kann es schwierig sein, selbst dann der Person habhaft zu werden, wenn FB den wahren Namen kennt.

Man kann jetzt sagen, daß unser sozialer Umgang auf Marktplätzen von der deutschen Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit geregelt wird sowie von der Polizei als exekutiver Macht. Das ist in Ordnung in soweit, als daß diese Instanzen geformt wurden durch Prozesse, die ihrem Wesen nach demokratisch waren und sind.

Davon kann aber auf FB überhaupt keine Rede sein! Und trotzdem steht FB auf einmal da als virtueller Marktplatz mit denselben Funktionen wie der reale, körperliche Marktplatz, aber völlig losgelöst vom politischen Raum und demokratischer Willensbildung.

Das mag ja niemanden stören, solange man Selbstportraits postet, auf denen man sich am Strand beim Eisschlecken präsentiert, aber die Sachlage ändert sich schnell, wenn Mobbing, Haßtiraden, Verunglimpfungen, üble Nachrede, Verleumdungen und vieles mehr ins Spiel kommen.

Jeder hat das Recht auf Anonymität! Ohne dieses Recht hätten wir keine freien Wahlen, denn da gilt, daß die Stimme anonym abgegeben wird. Und es geht niemanden etwas an, welche und wieviel Kondome ich kaufe, ob ich Medikamente gegen die Symptome meiner beginnenden Parkinson-Erkrankung nehme oder ob ich Antidepressiva benötige, um meinen Alltag bewältigen zu können. Und um beim Beispiel zu bleiben: Die Anonymen Alkoholiker haben doch das Recht, anonym zu bleiben in ihrer Selbsthilfegruppe! Und jemand, der die Diagnose Parkinson gestellt bekommen hat, soll doch die Möglichkeit haben, sich mit anderen Leidensgenossen darüber auszutauschen, und zwar ohne daß die Nachbarn mitlesen!

Aber der Volksverhetzer hat dieses Recht auf Anonymität verwirkt! Das ist allerdings völlig wurscht, wenn er das Volk verhetzen kann auf Plattformen, die keinerlei Mittel und Wege bereitstellen, solche Verbrecher dingfest zu machen, sprich, ihre Identität herauszufinden.

Wir brauchen also soziale Medien, an denen man sich in einer Weise anmelden kann, die keinen Zweifel an der Identität läßt (bspw. über einen entsprechenden elektronischen Ausweis mit Lesegerät), auf denen man sich aber wahlweise anonym oder auch mit Identitätsangabe äußern kann, so daß man bei Gesetzesverstößen identifiziert werden kann.

Na toll, wird es jetzt heißen: “Ein staatlich überwachtes Facebook, so wie in China! Die Partei liest mit, bei Unbotmäßigkeit gibt’s auf den Hut!” – Ja, stimmt! Also ist das keine Lösung.

Habe ich behauptet, das Problem lösen zu können? Nein, habe ich nicht! Herr Maas scheint aber recht überzeugt zu sein von seinen Gesetzeseingaben, sonst hätte er sie nicht gemacht. Daß sie nichts taugen, kann man leicht einsehen, finde ich. Aber auch wenn ich selber hier keine Lösung anbieten kann, helfen meine Gedanken vielleicht dem einen oder anderen, etwas genauer auf die Problematik zu schauen. Und das ist dringend notwendig, denn ob wir es wollen oder nicht: Facebook ist Teil unserer gesellschaftlichen Strukturen geworden, und daher sollten wir uns präzisere Gedanken darüber machen, was dort passiert, anstatt mit Bußgeldern in astronomisch-absurder Höhe eine Handlungsfähigkeit vorzutäuschen, die tatsächlich überhaupt nicht vorhanden ist. Zumal das Bußgeld Facebook gilt, die Täter aber nicht bestraft werden, sondern ihre Taten nur unsichtbar gemacht werden. So lange, bis sie wiederholt werden. Das Gesetz zeigt also einen ganz großen Hammer, der aber meilenweit am eigentlichen Ort des Geschehens vorbeihaut. Ziemlich lächerlich, das Ganze.

Diese Regierung ist Deutschland

Ich frage mich, was Gabriel in Israel wollte. Und ich frage mich, was Steinmeier dort im Anschluß an Gabriels Besuch im Sinn hatte. Wird Israel als Profilierungsmaterial mißbraucht, um die Bundestagswahl vorzubereiten?

Gabriel trifft sich mit Organisationen, deren Legitimation und Glaubwürdigkeit kritisch gesehen werden, um es vorsichtig auszudrücken. Diese Treffen zieht er einem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten vor. Ich denke, das ist eine klare Positionierung. (Und ich bin mir 100% sicher, daß Gabriel bei seinen Gesprächen mit den bekannten NGOs nichts, aber auch gar nichts gehört haben dürfte, was er nicht ohnehin schon zu wissen glaubte.)

Hier ein Interview, das Gabriel dem Hamburger Abendblatt gegeben hat:

http://www.abendblatt.de/politik/article210400249/Sigmar-Gabriel-G20-Hamburg-wer-denn-sonst.html

Interessant hier vor allem die Aussage: “Die aktuelle Regierung ist nicht Israel, auch wenn sie das gern so darstellt.”

Demokratisch gewählte Regierungen werden gemeinhin als legitimierte Vertreter ihres Volkes, ihres Staats gesehen. Nicht so die israelische. Israel hat gefälligst das zu sein, was Herr Gabriel in ihm zu sehen wünscht.

Die beiden Besuche haben anscheinend überhaupt nichts gebracht, außer daß man mal wieder dort war. Wozu also das Theater? Gekrönt mit einer noch nie dagewesenen Kranzniederlegung am Grab Arafats durch unseren Bundespräsidenten?

Die Legitimation der israelischen Regierung wird in Frage gestellt, die der Terrororganisationen Fatah und Hamas als Vertretungen der Palästinenser wird nicht ansatzweise hinterfragt. Aber das ist so normal, daß beim deutschen Wähler lediglich hängenbleibt:

  1. Die SPD zeigt klare Kante gegen…
    a) Israel
    b) Israels Politik
    c) Israels Regierung
    d) Benjamin Netanjahu
    (Sie dürfen aus den Unterpunkten das Menü Ihrer Wahl zusammenstellen.)
  2. Die SPD setzt sich ein für…
    a) Menschenrechte
    b) Palästinenserrechte
    (Perfide hierbei: Das soll dann übertünchen, daß das Asylrecht demontiert wird und somit andernorts, nämlich hierzulande, Menschenrecht massenhaft mißachtet wird.)

Hier wird mal wieder Politik auf dem absolut untersten Niveau gemacht: Verstandes- und Intellekt-befreit (was vielen ohnehin besonders leicht fällt) und mit Gefühlsmatsch und Halbwissen überkleistert, denn Verstand ist das letzte, was die SPD dem deutschen Wähler andichten würde.

Bleibt nur zu sagen, was der Leser schon vermutet haben dürfte: Diese Regierung ist Deutschland. Leider.